Der 160. Beitrag

Ich bin wieder so richtig in Deutschland angekommen. Dass sich damit allerdings mein Fernweh gelegt haben könnte, ist nicht richtig. Ganz und gar nicht.

Ich habe nicht viel Uni, würde gerne viel mehr arbeiten, aber wenn ich mehr verdiene, bekomme ich kein Bafög mehr, das gibt ja keinen Sinn. Jetzt schon lernen für mein Examen im Sommer? Auch sinnfrei. Mit Freunden treffen? Ob ihr es glaubt oder nicht, die haben auch nicht immer Zeit. Nächste Reise planen? Deprimierend, weil einfach gar nicht abzusehen ist, wann die stattfinden soll, weil das Geld an allen Ecken und Enden fehlt. Fotos sortieren? Auch deprimierend, sorgt für noch mehr Fernweh.

Aber ich hab mir gedacht, ich kann meine Reise nochmal durchleben, indem ich diesen Blog lese und ganz nebenbei Korrektur lese, in OpenOffice kopiere und dann drucke.

Es sind tatsächlich immer noch regelmäßig Leute auf meinem Blog unterwegs, das freut  mich natürlich, weil das war ja auch Sinn davon.

Was hat sich bei mir getan?

Ich bin nicht mehr mit meinem Freund zusammen. Wir haben uns im beidseitigen Einverständnis getrennt und gerade mäßigen Kontakt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich auf der Suche nach etwas Neuem bin – es wäre auf jeden Fall eine Beschäftigung, die mir Zeit verkürzt, aber auch Nerven kosten kann. Die Trennung hatte bedingt mit der Reise zu tun: ich hab getan was ich wollte und zwar 24 Stunden täglich, musste mich nach keinem richten. Dann kommt man nach Hause und muss sich nach jemandem richten, weil man das ja auch irgendwie möchte, aber die Interessen gehen in komplett unterschiedliche Richtungen und die gemeinsame Zeit wirkt „erzwungen“. Ich genieße es auf jeden Fall gerade, so unabhängig zu sein, meine Zeit wieder komplett selbst einteilen zu können und nicht so oft nach Hause fahren zu müsse, denn seit August fühlt sich Würzburg mehr nach zu Hause an, als je zuvor und so soll das auch bleiben.

Ich habe noch Kontakt zu Menschen, die ich auf meiner Reise getroffen habe. Sehr intensiven zu meiner lieben Katja aus Köln, die ich in Auckland getroffen habe. Sie startet morgen schon ihre nächste spannende Reise: Südamerika. Hoffentlich kommt sie wieder gesund zurück, denn wir zwei sind auch zurück in Deutschland voll auf der gleichen Wellenlänge und telefonieren und schreiben regelmäßig. Andere Kontakte sind eher sporadisch.

Die größte Überraschung bescherte mir die Schweizerin Daniela von der Grand Canyon – Las Vegas – Yosemite Tour in Amerika. Sie ist tatsächlich mit unserem Tourguide zusammen gekommen/geblieben. Sie zog vor Kurzem zu ihm nach Portland und postete ein Foto von sich und ihm in Facebook. Übel. Was Anderes fällt mir dazu nicht ein.

Die Fotografie hat sich diesen Sommer nicht so richtig entwickeln wollen. Ich hatte kleinere Aufträge und zwei Hochzeiten, die ich anscheinend gut gemeistert habe, denn es gibt schon drei feste Buchungen für nächstes Jahr! Eine sogar in Dortmund!

Fragen mit denen ich mich gerade beschäftige sind vor allem: Was will ich? Studiere ich zu Ende (Kopf sagt ja, Herz sagt: ich will weg!), versuche ich mit der Fotografie selbstständig zu werden? Schreibe ich ein Buch? Suche ich mir einen Job, bei dem ich reisen „muss“? Ist mein Lebensziel „Familie und Kinder“ immer noch das größte? Wo will ich leben? Und vor allem: wie verdiene ich möglichst schnell möglichst viel Geld, um wieder zu reisen, zu fotografieren und meinen Blog zu schreiben?

Ich bin mir schon sicher, dass ich die zwei Jahre Referendariat nicht zum nächstmöglichen Termin (September 2016) beginne. Ich kann mir nicht vorstellen, zwei Jahre an einem Ort bleiben zu müssen. Noch nicht vielleicht. Und wenn ich es anfange, mache ich das auch zu Ende.

Mein Gewicht hat sich wieder einigermaßen eingependelt. Ich besitze ja wieder einen Kühlschrank und in Deutschland ist Obst und Gemüse bezahlbar. Ich passe wieder in fast alle Hosen, die mir vor der Reise auch gepasst haben und fühle mich inzwischen wieder rundum wohl.

Meine komplette Art hat sich auf der Reise verändert. Ich bin aufgeschlossen, mutiger, selbstbewusster. Ich spreche Menschen an, die ich sonst nie angesprochen hätte. Ich bin locker und offen, wenn ich mit Menschen rede, die ich kaum oder gar nicht kenne. Ich traf vor Kurzem Syrier im Zug, wusste aber noch nicht, dass sie Syrier waren, ich bekam nur mit, dass sie vom Schaffner wissen wollten, auf welches Gleis sie in Würzburg müssen und ob sie den Zug bekommen, aber der Schaffner konnte nicht wirklich Englisch – ist ja bekannt: sänk ju foa träwelling wis deutsche Bahn. Ich erbarmte mich also und half aus und kam mit ihnen ins Gespräch. Sie waren Flüchtlinge. Und sie waren so dankbar und glücklich in Deutschland zu sein. Sie waren auf dem Weg von Zirndorf nach Trier, dorthin wurden sie geschickt, um in einem Flüchtlingslager zu leben. Sie hatten kaum Sachen dabei, dafür, dass das alles ist, was sie jetzt noch besitzen. Wir sprachen auf Englisch über solche Sachen wie heiraten, Kinder und Unterschiedlichkeiten zwischen den Kulturen. Ich hätte einen heiraten können, wenn ich gewollt hätte – es hieß er bräuchte eine deutsche Frau. Nein, danke 😉 . In Syrien darf man mehrere Frauen haben und die syrischen Männer waren komplett irritiert, als ich ihnen sagte, dass das hier sogar verboten wäre. Es war höchst interessant zu erfahren, dass selbst diese Menschen glücklich sein können. Ich brachte sie dann in Würzburg zum richtigen Gleis und warnte den nächsten Schaffner vor, dass sie in Mainz umsteigen müssten, nicht gut Englisch können und zu spät dran sind. Das Zugticket war nämlich auf 11h ausgestellt und es war inzwischen 19h. Ich hoffe sehr, dass die drei gut angekommen sind und immer noch froh sind, in Deutschland aufgenommen worden zu sein. Diese Erfahrung hat mich dazu gebracht, zu überlegen, ob ich nicht auch mit Flüchtlingen arbeiten möchte und ich muss sagen, dieser Gedanke hat sich festgebissen.

Was vermisse ich am meisten? Die Sonne. Das Abenteuer. Dass ich ständig Neues erlebe, sehe, rieche, schmecke. Dass ich ständig neue interessante Leute kennenlerne. Dass ich machen kann, was ich will und nicht auf das Geld achten muss. Dass ich diesen Blog täglich mit neuen interessanten Infos bestücken kann. Dass ich meine Kamera täglich nutze. Dass ich ständig woanders übernachte. Dass jeden Tag etwas Unerwartetes passiert. Dass ich ständig etwas Neues lerne. Dass ich nicht gelangweilt herumsitze und mich frage: was mach ich jetzt?

 

Das wars dann wieder für heute. Ich bin schon seit fast fünf Monaten da. Das ist schrecklich. Fünf Monate nur in Deutschland. Das muss sich ändern. Schnell.