Die älteren Damen haben es einfach mit mir. Da fragt man einmal ganz nett, wie es Ihnen geht und schon ist man gefangen in ihrem Netz aus Geschichten. Man versucht sie immer wieder ganz freundlich zu unterbrechen, wenn man mal eben nach anderen Gästen sehen muss oder ein Kollege schon seit fünf Minuten wartet, um etwas zu sagen, aber es funktioniert nicht immer.
Und das ist gut so!
Sonst hätte ich diese Geschichte verpasst:
Eine Frau Mitte sechzig kommt in meine Nachmittags-Bar und bestellt einen Kaffee, erzählt mir direkt, dass sie auf jemanden wartet und sie erst dann Essen bestellt. Und als sie dann nach Snacks fragt, gebe ich ihr die Karte und sie fragt bei jedem Gericht genau nach und schon bin ich in ihrem Redestrudel gefangen.
Sie hat einen Sohn hier in Exeter, will ihn aber nicht mit ihrer Anwesenheit belasten und übernachtet deswegen in unserem Hotel. In den sechzigern hat sie auch hier gewohnt. In einer WG mit einer damals guten Freundin, aber wie das so passiert, verliert man sich mit der Zeit aus den Augen. Jeder hat sein eigenes Leben, zieht um, heiratet, bekommt Kinder und hat plötzlich ganz andre Sorgen als mit einer Studienkollegin befreundet zu bleiben.
Aber nach einigen Jahren und dank Facebook finden sich die beiden wieder und nach einigen Nachrichten beschließen sie, sich zu treffen. In unserem Hotel. An dem Tag, den ich gerade beschreibe.
Es muss wirklich spannend gewesen sein, in den sechzigern gelebt zu haben. Sie hatten sich nämlich den kompletten Nachmittag etwas zu erzählen und als ihr Sohn kam, um sie abzuholen, ging alles von vorne los. Ich verabschiedete mich am Ende meiner Schicht ganz freundlich und der Sohn sagte nur: Ohje, sag bloß du musstest dir das auch alles anhören?